Interview – Christian Kremer / Erlebnis Akademie AG: Ganz und gar nicht auf dem Holzweg – über den Bau von Baumwipfelpfaden

von | 19. August 2016 | Allgemein, Interviews und Potraits, Outdoornews

In Baumkronen steigen, ist eine feine Sache für die ganze Familie. Dass mit Holzpfaden in luftiger Höhe allerdings an der Münchner Börse gehandelt wird, finden wir dann doch ziemlich kurios und daher durchaus erzählenswert. Die Erlebnis Akademie AG hat sich auf den Bau von Baumwipfelpfaden spezialisiert. Das börsennotierte Unternehmen aus dem Bayerischen Wald eröffnete erst kürzlich sein fünftes Projekt, einen Baumkronenpfad an der Saarschleife. Unsere Gastautorin Johanna Stöckl hat den Marketingleiter Christian Kremer (43) getroffen und sich von ihm auf den Holzweg führen lassen.

Interview - Christian Kremer: Ganz und gar nicht auf dem Holzweg - über den Bau von Baumwipfelpfaden (© Erlebnis Akademie AG)

Da hat aber jemand gewaltig einen in der Krone:

Wieso sollen Menschen in Baumkronen steigen? Weil einen dort außergewöhnliche Perspektiven erwarten, die einem sonst verwehrt bleiben. Normaler Weise geht man auf Wegen durch den Wald und sieht hauptsächlich Baumstämme. Wir ermöglichen einen Blick auf die obere Etage. Wie sieht der Wald aus, wenn z.B. Nadelbäume blühen?

In den Presseunterlagen der Erlebnis Akademie AG habe ich das Wort „nachhaltig“ aufgeschnappt. Was ist nachhaltig an einem Baumkronenpfad? Aufgrund der Statik lässt es sich nicht vermeiden, dass auch andere Materialen verwendet werden. Aber unsere Pfade sind zu 85 Prozent Holzkonstruktionen. Wir verwenden ausschließlich unbehandeltes Holz, das einzige Material, das in einen Wald passt. Eine Stahl- oder Betonkonstruktion hat da nichts verloren.

Welches Holz eignet sich zum Bau? Wir verwenden primär Douglasie, also ein Kieferngewächs, das auch in unserer Region, dem Bayerischen Wald, Böhmerwald und in Teilen Oberösterreichs wächst. Wir haben sehr gute Erfahrungswerte mit diesem Holz. Es graut nach ein, zwei Jahren schön nach, sodass der Pfad im Wald verschwindet.

Warum wollen Sie das? Der Wald soll im Mittelpunkt stehen, nicht der Pfad.

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Stichwort Lebensdauer: Werden die Pfade mehrere Generationen erfreuen?
Die großen Stämme sind kein Problem. Wenn überhaupt, verwittert der Bodenbelag. Einzelne Bohlen können aber jederzeit ausgewechselt werden.

Die Baumwipfelpfade der Erlebnis Akademie AG wurden bereits mehrfach mit Architektur- und Tourismuspreisen ausgezeichnet. Wann ist ein Baumkronenpfad gelungen bzw. wann hat er die Berechtigung inmitten zauberhafter, zum Teil ursprünglicher Landschaft gebaut zu werden?
Wir integrieren grundsätzlich didaktische Erlebnis-Stationen in der Höhe, um das Erlebnis informativ zu gestalten und definieren einen Baumwipfelpfad über die Eröffnung neuer Perspektiven auf den Wald bzw. die umgebende Landschaft. Wir vermitteln Besuchern wie ein naturbelassener Wald aussieht. Übrigens darf der Wald, in dem wir planen, keine Monokultur sein, weshalb wir primär u.a. in National- oder Naturparks bauen. Entscheidend ist unsere Herangehensweise: Der Pfad wird an den Wald angepasst, nicht andersherum.

Holzpfade in urbanen Lebensräumen, meinetwegen über den Dächern Berlins, würden ebenfalls interessante Perspektiven gewähren.
In erster Linie wollen wir Wissen über die Natur, Umwelt oder ortsspezifischen Gegebenheiten vermitteln und tun dies über Informationsstationen entlang des Pfades. Menschen, die einen unserer Pfade besucht haben, gehen mit neuen Informationen nach Hause und werden zum Nachdenken angeregt. Der Erhalt der Natur steht im Vordergrund.

Interview - Christian Kremer: Baumwipfelpfad Schwarzwald (© Erlebnis Akademie AG)

Das Urbane ist also kein Thema für Sie? Von der Ausrichtung her nein. Von einem Hochhaus aus haben Sie in der Stadt ja ohnehin einen tollen Blick. Es fehlt die neue Perspektive.

Schon mal darüber nachgedacht im alpinen Bereich einen Pfad zu bauen?
Denkbar ist vieles. Aber es entspricht nicht unserer Strategie. Auch im alpinen Umfeld ist die neue Perspektive nicht gegeben. Jeder Gipfel ermöglicht einen tollen Blick. Der Mehrwert fehlt.

Ihr Konzept ist simpel: Ein Pfad aus Holz in mindestens 20 Meter Höhe, auf einer Strecke von mindestens einem Kilometer endet in einem spektakulären Aussichtsturm. Worin unterscheiden sich die Pfade? Ich spreche jetzt nur von unseren Pfaden: Der Standort macht einen großen Unterschied. Der Wald natürlich auch. Auf Rügen etwa läuft man durch Buchenwälder, im Bayerischen Wald hingegen durch einen klassischen Berg-Misch-Wald.

Jeder Ihrer Baumkronenpfade ist behinderten- und somit auch kinderwagengerecht gebaut. Schafft meine Oma solche Pfade auch?
Unsere Pfade schließen niemanden aus. Auch die Rampe im Turm ist komplett barrierefrei bei maximal 6 Prozent Steigung. Somit ist die Turmspitze im Rahmen eines gemütlichen Spaziergangs für jeden auch mit Rollatoren erreichbar.

Interview - Christian Kremer: Baumwipfelpfad Bayerischer Wald (© Erlebnis Akademie AG)

Entwerfen unterschiedliche Architekten die Pfade? Alle bisherigen Pfade hat Architekt Josef Stöger mit seinem Büro entwickelt. An der Zusammenarbeit halten wir fest.

In Kürze wird an der Saarschleife der vierte Pfad in Deutschland eröffnet. Wie lange dauerte der Bau dieser Anlage, wie viel Holz wurde verbaut und wie hoch waren die Kosten? Vier Monate. 1.170 Kubikmeter Holz. 4,7 Millionen Euro.
Wem gehört so ein Baumwipfelpfad bzw. wer ist der finale Betreiber?
Die Erlebnis Akademie AG ist Bauherr und Betreiber. Wir sind Pächter der Grundstücke, die bisher in staatlichem Besitz waren oder wie auf Rügen einer Organisation wie der DBU (Deutsche Bundesstiftung Umwelt) gehören.

Was kostet mich als Besucher die neue Perspektive auf den Wald?
Maximal 10 Euro für eine Einzelperson. Ein Besuch dauert mindestens 1,5 bis 2 Stunden, je nachdem wie lange man sich mit dem Thema befasst. Die Vorgabe war: Der Besuch darf nicht teurer sein als ein Kinobesuch. Natürlich gibt es Ermäßigungen für Senioren, Kinder, Studenten, Familien etc. Zwei Erwachsene zahlen mit Kindern 21 Euro.

Über die Macher der Baumwipfelpfade:

Welchen Umsatz hat die Erlebnis Akademie mit Baumwipfelpfaden 2015 erwirtschaftet? Auf allen Anlagen insgesamt knapp 7 Millionen Euro.

Können Sie auch den Gewinn nennen? Ich habe die exakte Zahl jetzt nicht parat. Da wir aber seit Dezember 2015 ein börsennotiertes Unternehmen sind, kann man den Geschäftsbericht auf unserer Webseite nachlesen.

Standortfrage: Wer kontaktiert wen? Als wir seinerzeit hörten, dass im Bayerischen Wald Derartiges geplant ist, sind wir auf den Nationalpark zugegangen und haben den Zuschlag erhalten. Nach dem Erfolg dieses Pfades treten Gemeinden, Institutionen bzw. Waldbesitzer hauptsächlich an uns heran. Natürlich sind wir auch auf der Suche geeigneten Locations, die allerdings nur begrenzt vorhanden sind. Anhand eines Anforderungskatalogs wird geprüft ob ein Standort überhaupt in Frage kommt.

Interview - Christian Kremer: Baumwipfelpfad Bayerischer Wald (© Erlebnis Akademie AG)

Wie lange gibt es die Erlebnis Akademie? Die Erlebnis Akademie hat 2001 mit drei Aktionären und 1,5 Mitarbeitern ganz klein angefangen. Der erste Baumkronenpfad wurde 2009 im Bayerischen Wald umgesetzt. Heute arbeiten 65 festangestellte und zahlreiche freiberufliche Mitarbeiter für das Unternehmen.

2015 geht die Erlebnis Akademie an die Börse. Sie generierten also Geld und haben offenkundig mehrere Projekte in der Pipeline? Unmittelbar vor der Eröffnung befinden wir uns mit dem Baumwipfelpfad Saarschleife. In den nächsten Wochen beginnt der Bau für einen weiteren Pfad im Riesengebirge also Tschechien. Parallel prüfen wir weitere Standorte im In- und Ausland.

Wäre es im Portfolio der Erlebnis Akademie AG nicht auch naheliegend Hochseilgärten zu bauen? Es ist genau umgekehrt. Wir kommen aus dem Bereich Hochseilparks und gehörten zu den führenden Anbietern. Bei Firmengründung 2001 hatten wir in Lam (Bayerischer Wald) den größten Hochseilpark Europas, seinerzeit die dritte Anlage in Deutschland überhaupt, gebaut. Mittlerweile ist der Markt mit über 700 Anlagen überschwemmt. Wir betreiben selbst zwar noch aktiv zwei Hochseilparks, aber es ist kein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell für uns. Der Markt ist gesättigt.

Übernachten im Baumhaus:

Schon darüber nachgedacht, Baumhäuser zu bauen? Angedacht ja. Das Thema ist dann spannend, wenn es sich um richtige Baumhäuser, nicht um Bauten auf Stelzen, handelt. Wir sind allerdings keine Hoteliers.

Warum halten Sie nichts von Häusern auf Stelzen? Ein richtiges Baumhaus muss in den Bäumen installiert sein. Wir stellen uns die grundsätzliche Frage: Macht es dort, wo wir unsere Anlagen haben, überhaupt Sinn Baumhäuser zu bauen? In den bisherigen Flächen, wie z.B. in einem Nationalpark, bekommt man dafür ohnehin keine Genehmigung.

Von den fünf Baumkronenpfaden der Erlebnis Akademie ist welcher Ihr liebster? Jeder Pfad hat seinen ganz besonderen Reiz und seine Spezifika. Ob es nun der Pfad an sich ist, die Umgebung, die Perspektiven, die Gestaltung der didaktischen Stationen, manche Pfade sind zu einer bestimmten Jahreszeit besonders schön, kurzum: Ich habe keinen Favoriten.

Heißt: Es lohnt sich durchaus einen Pfad mehrmals, zu unterschiedlichen Jahreszeiten zu besuchen? Unbedingt! Wir haben viele Wiederkehrer und zahlreiche Saisonkartenbesitzer. Jede Jahreszeit hat im Wald ihren ganz besonderen Reiz.

Sind alle Pfade auch im Winter geöffnet? Von einer möglichen Revisionszeit im November abgesehen, sind alle Anlagen ganzjährig geöffnet. Der Winter ist sogar eine ausgesprochen tolle Zeit um entlang tief verschneiter Baumkronen zu flanieren.

Stichwort Rutschgefahr: Wie gewährleisten Sie die Sicherheit auf den Pfaden während der Wintermonate? Die Pfad werden begehbar gemacht, heißt: Liegt nur eine dünne Schneeschicht auf den Bohlen, ist das ohnehin unproblematisch. Fällt mehr Schnee, werden die Pfade komplett geräumt. Im Anschluss kommt wie auf Straßen und Wegen etwas Rollsplitt drauf.

In Kürze wird der Baumwipfelpfad an der Saarschleife eröffnet. Das Projekt, vor allem der weithin sichtbare Aussichtsturm an der Cloef ist durchaus umstritten. Mit welchen Argumenten rechtfertigt die Erlebnis Akademie den Bau? Grundsätzlich waren alle Beteiligten für dieses Projekt. Der Baumwipfelpfad Saarschleife wird im Rahmen der regionalen Tourismusstrategie sicher seinen Beitrag leisten und den Besuchern einen Mehrwert bieten. Dies haben auch Freizeitanlagen dieser Art in anderen Destinationen gezeigt. Es ist uns aber auch klar, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. Das ist normal.

Ich habe noch nie darüber nachgedacht ins Aktiengeschäft einzusteigen. In einen Baumwipfelpfad zu investieren, fände ich persönlich smart. Eine eak-Aktie ist geeignet für Interessenten, die nicht an einer kurzfristigen Gewinnmitnahme interessiert sind. Ähnlich wie unsere Projekte ist auch diese Aktie eher ein nachhaltiges Investment, das sich vor allem über die mittelfristige Steigerung des Unternehmenswertes durch die Etablierung weiterer Anlagen rentieren soll.

Weitere Infos zu den einzelnen Baumwipfelpfaden:

> Baumwipfelpfad Bayerischer Wald
> Baumwipfelpfad Schwarzwald
> Baumwipfelpfad Lipno, Tschechien
> Baumwipfelpfad und Naturerbe Zentrum Rügen
> Baumwipfelpfad Saarschleife